«Stolpersteine» in Rom – Zeichen der lebenden Erinnerung

Stolpersteine anzutreffen in Rom in der Via di San Abrogio

Alle Jahre wieder im Januar verlegt der Initiator des Projekts und Künstler Gunter Demnig in Rom vor den Wohnungseingängen deportierter Opfer des Nationalsozialismus Stolpersteine. Dieses Mal, in der achten Ausgabe, waren es 24 Steine.

Hintergrund zum Projekt
Die Idee zu seinem Kunstprojekt für Europa, das Gedenken an alle verfolgten oder ermordeten Opfer des Nationalsozialismus, kam dem deutschen Künstler 1993 anlässlich einer seiner Installationen zum Thema der Deportation von Romas und Sinti. Als eine alte Frau dementierte, dass in Köln im Jahr 1940 tausend Sinti deportiert wurden, entschied sich Demnig sein Leben und all sein Werk der Suche und dem Zeugnis über die Existenz verschwundener Menschen infolge der Nazi-Verfolgung zu widmen. Er wollte keine Denkmäler schaffen, sondern die Erinnerung sollte integrierender Teil des täglichen Lebens werden. So entschied er sich dafür, vor dem letzten selbstgewählten Wohnort von Opfern der NS-Zeit Gedenktafeln aus Messing ins Trottoir einzulassen. Damit soll die Erinnerung an die Menschen lebendig werden, die einst hier lebten, denn «ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist», zitiert Gunter Demnig den Talmud. Die Steine sollen die Namen zurückbringen und an jedes einzelne Schicksal erinnern. Das Ziel des Künstlers besteht darin, für jedes Opfer einen Gedenkstein zu legen. Um die Inschrift zu lesen, beugt sich der Betrachter des Stolpersteins und verbeugt sich somit vor der Person, deren Schicksal der Stein dokumentiert.

Technik und Inschrift
Monatlich können Gunter Demnig und sein Team max. 440 Gedenksteine herstellen und verlegen. Der Bildhauer Michael Friedrichs-Friedländer schlägt jeden Buchstaben von Hand ins Messing. Eingraviert werden die Namen, das Geburtsjahr, das Deportationsjahr und –ort sowie Angaben zum Schicksal. Unter dem Motto: Ein Stein. Ein Name. Ein Mensch. Stolpersteine werden über Spenden und Patenschaften finanziert. Für 120 Euro kann übrigens jeder eine Patenschaft für die Herstellung und Verlegung eines Gedenksteines übernehmen. Gunter Demnig legt die Steine selbst.

Wo sind die Stolpersteine zu finden?
Den ersten Gedenkstein setzte der deutsche Künstler in Köln. Über 50‘000 Stolpersteine existieren inzwischen in mehr als 6‘000 Städten in Belgien, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Italien, Kroatien, Litauen, Luxemburg, den Niederlanden, Norwegen, Österreich, Polen, Rumänien, Russland, Schweiz, der Slowakei, Slowenien, Spanien, Tschechien, der Ukraine und Ungarn.
Während der deutschen Besatzung wurden von der Gestapo 2091 römische Juden unter dem Schweigen von Papst Pius XII deportiert. Nur eine Frau und sechzehn Männer haben das KZ überlebt. Heute wohnen noch zehn von ihnen in Rom. Hier wurden mit den letzten in diesem Monat verlegten «Pietre d’inciampo» insgesamt in acht Jahren, beginnend mit dem Jahr 2010, insgesamt 260 Steine gesetzt. Im Ausmass von 96 x 96 mm und einer Höhe von 100 mm entsprechen sie in etwa jenen eines Sanpietrino, dem typischen römischen Kopfstein. In Rom finden Sie zahlreiche Stolpersteine nicht nur im kleinen jüdischen Viertel, wie etwa in der Via della Reginella 27 oder in der Via del Portico d’Ottavo 9, in der heute wieder rund 500 jüdische Familien leben, zahlreiche koschere Lokale und einige Geschäfte sowie eine jüdische Schule und die Synagoge ihren Platz gefunden haben. Auch im Viertel Monti wie etwa in der Via della Madonna dei Monti 82 oder in der Via Urbana 2, sowie zum Beispiel in den Vierteln Prati und San Giovanni, in der S. Maria del Popolo 10 werden Sie fündig.

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Im Ghetto gibt es ausser den Stolpernsteinen viel zu entdecken

Synagoge in Rom


«Sanpietrini» – Steine des Anstosses in Rom

Des einen Freud, des anderen Leid
Routinierte Römerinnen mit ihren High Heels sind am eleganten Laufstil auf den «Sanpietrini» zu erkennen – like a local. Sie schweben förmlich über diese hinweg. Touristen indes kämpfen eher gegen die unberechenbaren Spalten zwischen den Steinen, die auch schon das Leben des einen oder anderen Absatz gekostet haben.

Veni, vidi, vici
Die Bezeichnung der «Sanpietrini» stammt aus dem Jahre 1725, als der Präfekt der Dombauhütte (zuständig für alle Massnahmen um die Erhaltung des Bauwerkes von Sankt Peter), den miserablen Zustand der Pflasterung am Petersplatz aufs schärfste bemängelte. Dies, nachdem die Kutsche des Papsts beinahe umkippte. So ordnete er an, den Platz mit den für das heutige Rom noch typischen quadratischen Steinen aus Leucit zu pflastern. Der Name leitet sich seither vom Petersplatz (Sankt Peter – San Pietro) ab und es wird von den «Sanpetrini» gesprochen. In der Folge wurden 120 Strassen im Zentrum der Stadt auf diese Weise saniert, wobei ein richtiger Berufszweig entstand.

Die andere Dimension
Es existieren verschiedene Arten und Dimensionen von «Sanpetrini», die immer eine stumpf zugespitzte Pyramide darstellen. Die Grössten verzeichnen ein Ausmass an 12 x 12 x 18 cm, während die am häufigsten die Masse von 12 x 12 x 6 cm aufweisen. «Sanpietrini» mit der Grösse von 6 x 6 x 6 cm sind selten anzutreffen und unter anderem auf der Piazza Navona zu bewundern.

Manpower
Die Steine werden in mühsamer Handarbeit auf Sand verlegt. Diese resistente Technik erlaubt es, sich den Unebenheiten des Bodens anzupassen, das Regenwasser zu «schlucken» und der Untergrund erhält zudem die Möglichkeit zu atmen.

Kurioses
Die tüchtigsten Pflastersteinleger schaffen es, 6’000 der rund 3 kg schweren Steine pro Tag zu verlegen. Dies entspricht einer Fläche von 60 m2 – sprich einem Squash-Spielfeld oder etwa einem Drittel eines Tennisspielfelds. Für die Piazza di Pietra, Standort des Hadriantempels, der eine Grösse eines Fussballfeldes einnimmt, benötigten neapolitanische «Gastarbeiter» 1997 unerklärlicherweise geschlagene drei Jahre. Ob es an der Motivation gemangelt hat, sei dahingestellt. Gemunkelt wird, dass Kost und Logis garantiert waren. Zudem handelt es sich um keine Originalsteine und sie stammen nicht aus den Steinbrüchen am Fusse der Albanerberge oder dem Gebiet um Viterbo. Anlässlich des Jubiläums wurde die Diskussion über die «Sanpietrini» erneut entfacht. Gegner weisen immer wieder auf die Rutschgefahr bei feuchten Steinen hin, die vor allem für Vespa-, Mofa- aber auch Fahrradfahrer ein enormes Unfallpotenzial darstellen (wir sprechen aus eigener Erfahrung).

LOCALIKE Roma Empfehlung
✪ Begeben Sie sich mit bequemen Schuhwerk auf Entdeckungstour. Die High Heels sind dem Restaurant- oder Opernbesuch vorbehalten, wo Sie am besten bequem und sicher mit dem Taxi Vorfahren.

Sanpietrini werden in Rom verlegt

Schweisstreibende Schwerstarbeit – lavori in corso

 

Sanpietrini im nassen Zustand – eine rutschige Überraschung

«Sanpietrini» im nassen Zustand – eine rutschige Überraschung

 

High Heels im Einsatz auf den Sanpietrini

Des einen Freud, des andern Leid – High Heels im Einsatz